Der lange Marsch zum Quotenhit |
Der erste Kontakt zum Fernsehen war ein Schockerlebnis. Mit einem Schraubenzieher stocherte der begeisterte Elektronikbastler in den Eingeweiden des "Zauberspiegel", einem Fernseh-Ungetüm aus den 60er Jahren. Plötzlich bohrte sich ein zentimeterlanger Funke in den Handrücken des 14-jährigen Schülers. 17.000 Volt! Diese Spannung war nötig, um im Röhrenzeitalter ein schwarzweißes Bild auf die Mattscheibe zu bringen. Die Folge: Eine tagelang sichtbare Brandnarbe. Wie man solche Kontakte vermeidet, lernte Reinhold Rühl ein Jahr später in der hessischen Fachwerkidylle Limburg. Während Studenten den Aufstand gegen das Establishment probten, absolvierte der Bastler dort eine Lehre als Radio- und Fernsehtechniker. Sein Berufsziel: Elektroingenieur. AufbruchstimmungGleichzeitig entwickelte Reinhold Rühl Interesse für das, was heute in der Fernsehbranche Content heißt: Er kaufte sich vom prekären Lehrlingsgehalt eine Schmalfilmkamera, drehte erste Acht-Millimeter-Kurzfilme. Nach dem Fachabitur wechselte der 20-Jährige von der beschaulichen Provinz ins turbulente Frankfurt. Das Studienfach: Sozialarbeit. Anstoß für den Wechsel gab die gesellschaftspolitische Aufbruchstimmung der 70er Jahre. Auch Rühls Erfahrungen im Zivildienst spielten dabei eine Rolle - er arbeitete in einer Reha-Einrichtung für psychisch kranke Menschen. Nach abgeschlossenem Studium kümmerte sich der staatlich geprüfte Sozialarbeiter im Jugendamt des Hochtaunuskreises um misshandelte Kinder und sozial auffällige Familien. Kabel schleppen für FernsehshowsParallel zu seiner vierjährigen Tätigkeit im Öffentlichen Dienst fand Rühl zum Journalismus. Er schrieb für das Sozialmagazin und andere Zeitschriften über Jugendprobleme. 1980 kündigte er die krisensichere Stelle und arbeitete als Lokalreporter, zunächst für die Taunuszeitung, später bei den Frankfurter Nachrichten. 1981 gelang ihm der Sprung in die elektronischen Medien: Rühl absolvierte ein Praktikum im Landesstudio Hessen des ZDF. Während dieser Zeit war Rühl häufig mit Kamerateams am Frankfurter Flughafen unterwegs. Dort wurden die ersten Bäume für die Startbahn-West gefällt. Anschließend sammelte Rühl Medienpraxis beim Hessischen Rundfunk. Er produzierte Radiobeiträge, schleppte Kabel für TV-Shows. Zum Beispiel bei Einer wird gewinnen (EWG) mit der Fernsehlegende Hans Joachim Kulenkampff. Die Einblicke ins Unterhaltungsgeschäft waren faszinierend - spannender fand Rühl jedoch Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Einen Sendeplatz dafür gab es beim neu gegründeten ZDF-Magazin WISO. Rühl berichtete als freier Fernsehreporter über manche Marktnische und ein Klientel, das in der Regel Kameras und Mikrofone scheut: Nepper, Schlepper und Bauernfänger. Goldrausch in der Medienbranche
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