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Treffpunkt Moulin Rouge

Mit vorgetäuschten Devisengeschäften ergaunern Rip Dealer Millionenbeträge. Ihre bevorzugten Opfer sind private Immobilienverkäufer. Eine Undercover-Recherche in der Finanzmafia.



"Schwarzgeld - Sie wissen schon":  Rip Deal-Anbahnung in Mailand

Von Reinhold Rühl

Etwas mulmig im Magen ist es uns schon, als wir ins Auto steigen und den Navigator programmieren. Das Fahrziel: Mailand. Eine Adresse können wir nicht eingeben. Noch nicht. „Rufen Sie an, wenn Sie die Autostrada dei Laghi erreichen“, hatte uns Lena mit auf den Weg gegeben. Und eine Handynummer. 

Anlass der Reise ist ein Anzeige, die wir im online-Portal immobilienscout aufgegeben hatten: 134 Quadratmeter große Wohnung im Osten Deutschlands zum Preis von 245.000 Euro zu verkaufen. Lena hatte sich am Telefon als Mitarbeiterin eines arabischen Geschäftsmannes vorgestellt. Der Unternehmer suche Immobilienanlagen in Deutschland. Man habe das Objekt gecheckt, es passe „sehr gut in unser Portfolio“, sagte Lena. Leider könne der viel beschäftigte Geschäftsmann nicht selbst nach Deutschland kommen. Aber wie wäre es mit einem Treffen in Mailand? Nächste Woche? Die Reisekosten übernehme selbstverständlich ihr Chef. „Bringen Sie Unterlagen mit, Grundbuchauszüge oder sowas“.

Auf dem Weg durch die schäbige Peripherie Mailands erfahren wir den Treffpunkt, das Restaurant „Moulin Rouge“. Hier erwarten uns Ahmed Rashid, ein jovialer Mittvierziger, und sein gut zehn Jahre jüngerer Adlatus, vielleicht sogar sein Bodyguard. Beide im eleganten, dunkelblauen Anzug. Rashid spricht perfekt deutsch und zeigt sich gut informiert über die Lebensverhältnisse jenseits der Alpen. Das Wort „Steuerprogression“ kommt ihm ebenso locker über die Lippen wie der Begriff „Fremdenfeindlichkeit“. Aus diesem Grund sei er schon lange nicht mehr nach Deutschland gereist. Der Adlatus schweigt, beobachtet uns mit aufmerksamen Augen.

Wir zücken das Exposé. „Ach ja, die Unterlagen“: Achmed wirft einen flüchtigen Blick auf den Grundriss. „Hübsch“, sagt er und überfliegt sichtlich desinteressiert die Fotos. Dann legt er den Verkaufsprospekt achtlos neben seinen Pastateller, wischt sich mit der Serviette den Mund und kommt zur Sache. „Also, wir zahlen ausschließlich bar und haben große Mengen Schweizer Franken“. Bei diesem Schlüsselwort klappt der Adlatus blitzschnell eine Aktenmappe auf, einige Bündel Banknoten kommen zum Vorschein. Rashid fingert zwei Tausend-Franken-Scheine heraus, lässt sie uns fühlen. „Sie wissen schon“, räuspert sich Raschid und blickt prüfend in die Runde, „Schwarzgeld“. 

Der von uns genannte Preis gehe schon in Ordnung, obwohl in Ostdeutschland die Immobilienpreise wohl im Keller seien. „Stimmt doch?“ Also müssten wir ihm „ein wenig entgegen kommen“. Mit einem Tausch Schweizer Franken gegen Euro – ohne die lästigen Formalien bei der Bank. Dafür zahle er ebenso wie auf den Kaufpreis eine Provision von 15 Prozent bar auf die Hand. Wie viel Bargeld wir denn locker machen könnten?

LKA-Beamte warnen vor Recherche

Rashid ahnt nicht, dass wir zwei Journalisten sind, die der Spur eines internationalen Betrügerringes folgen. Die Bande hat bereits Tausende von Bundesbürger in die norditalienische Metropole gelockt. Beamte des Landeskriminalamtes Bayern hatten uns von der Recherche abgeraten. Aber sie gaben auch zu erkennen: Solange kein Geld im Spiel ist, „bleiben die Burschen friedlich.“ Immerhin. 

Ein Opfer dieser Betrüger war Gerhard Kahlert*. Er hatte sich auf ein Geschäft, wie Rashid es uns vorgeschlagen hat, eingelassen und war mit 75.000 Euro in die norditalienische Metropole gereist. Kahlert ist Rentner und leitete zuletzt die Filiale einer deutschen Großbank. Natürlich hatte sich Kahlert abgesichert. Falls Zollbeamte sein Gepäck durchsuchten, konnte Kahlert den Auszahlungsbeleg seiner Hausbank vorzeigen. Im Wagen saß außerdem ein Geschäftspartner. Zusammen wollten sie Immobilien im Wert von 375.000 Euro verkaufen: Eine Wohnung in München, ein Grundstück auf den Bahamas sowie ein Hotelappartement in einer süddeutschen Kurstadt. Monatelang hatten die beiden Geschäftsfreunde nach einem zahlungswilligen Käufer gesucht. Bis sich ein „Herr Hoffmann“ meldete, aus Mailand.

Showdown in der Schalterhalle

In der Schalterhalle der Banca Nazionale de Lavoro trafen sich die Parteien zum Show-down. Hoffmann klappte seinen Aktenkoffer auf, zeigte 120.000 Schweizer Franken, sorgfältig gebündelt und mit Banderolen gesichert. Ex-Banker Kahlert weiß, wie sich echte Scheine anfühlen, so glaubte er jedenfalls. Dennoch ließ er zur Sicherheit die Bündel durch eine Zählmaschine der Bank laufen. Der Betrag stimmte, die Geldbündel wechselten ihren Besitzer. Dann ging alles sehr schnell. Hoffmanns Chauffeur rief vom Eingang. „Telefon für Signore“. Der sprintete nach draußen. Mit quietschenden Reifen entschwand der 7er BMW mitsamt Kahlerts Euro-Bündeln im Verkehrsgewühl von Mailand. Als der verdutze Immobilienbesitzer die Banderolen von den Franken-Bündeln entfernte, entdeckte er den Schlamassel: Nur die erste Lage war echt. Auf den darunter liegenden Scheinen war „Facsimile falso“ aufgestempelt. Der Besitz von solchen Scheinen ist in Italien nicht verboten.

Nur jeder zehnte Rip Deal wird angezeigt

Kahlert und sein Geschäftspartner sind Opfer eines Rip-Deals. So heißen im Polizeijargon vorgetäuschte Devisengeschäfte, bei denen Immobilienverkäufer über den Tisch gezogen werden. „Rip“ ist englisch und steht für „entreißen“. Der Begriff wurde urspünglich von der niederländischen Polizei kreiert und später von deutschen Kriminalbeamten übernommen, die sich zunehmend mit dieser neuen Form der organisierten Kriminalität auseinandersetzen müssen. Im Schnitt werden in Deutschland jeden Monat 25 neue Fälle gemeldet. Insgesamt wurden seit dem Jahr 2000, als die „Rip-Deal“-Betrügereien erstmals als Phänomen aufgetaucht sind, bereits über 1.800 Delikte registriert. Gesamtschaden: rund 70 Millionen Euro. Doch das ist nur die Spitze des Eisberges. Die Dunkelziffer ist enorm. „Nur jede zehnte Tat wird angezeigt“, schätzt Martin Menhofer vom Bayerischen Landeskriminalamt. Manche Opfer verzichten aus Schamgefühl auf eine Anzeige, viele aber auch aus Angst vor peinlichen Fragen nach der Herkunft des geraubten Geldes.

Täter durchforsten Anzeigenportale

In den Netzen der Ripper verfangen sich nicht nur Immobilienbesitzer. Jeder, der etwas Wertvolles verkaufen möchte oder muss, kann Opfer werden: Rennpferde zum Beispiel, eine Yacht oder Kunstwerke. Für alle diese Güter kann es schwer sein, einen Käufer zu finden. Auf diese Zielgruppe haben sich „Rip-Dealer“ wie Ahmed Rashid spezialisiert. Systematisch werten sie Kleinanzeigen in Tages- und Fachzeitungen aus, durchforsten die Anzeigenportale im Internet.
Ahmed Rashid, der mit Sicherheit einen anderen Namen trägt, ist nur einer von schätzungsweise 500 Tätern, die vermögende Deutsche zu solchen Tauschgeschäften ins Ausland locken - vornehmlich nach Norditalien und in die Niederlande. Andere Banden nutzen Paris oder Brüssel als Operationsbasis. Mal geben sich die Täter als wohlhabende Araber aus, mal tarnen sie sich als Schweizer Geschäftsleute mit jüdisch klingendem Namen. Tatsächlich stammen sie nach den Erkenntnissen der Polizei oft aus dem ehemaligen Jugoslawien.

Rip-Dealer sind bestens vernetzt

Die Tätergruppen seien „hochintelligent und bestens vernetzt“, sagt ein Experte der Kripo Ravensburg, der monatelang gegen eine Bande aus Wien ermittelt hat. Die Täter waren „wie eine international tätige Firma organisiert“ – mit Callcenter und bestens geschulten Mitarbeitern, die genau die Mentalitäten ihrer Opfer kennen. Diese kommen häufig aus Kreisen, die sich immun wähnen gegen Bauernfänger-Tricks. Tatsächlich befinden sich die Opfer in bester Gesellschaft: Steuerberater, Industrielle, Ärzte. Selbst Rechtsanwälte und Notare sind schon nach Mailand gereist, um mit Herren wie Ahmed Rashid in Nobelrestaurants zu verhandeln.

Höchst selten treffen sich die Geschäftspartner wieder. So wie im Juli 2007 im Amtgericht München: Das „Rip-Deal“-Opfer Gerhard Kahlert ist als Zeuge geladen im Prozess gegen Ali Reza B., den er fünf Jahre zuvor in Mailand als „Herrn Hoffmann“ kennen lernte. B. kann sich jedoch an das Treffen in der Bank partout nicht mehr erinnern. Sein Anwalt präsentiert sogar zwei Zeugen, die eigens aus Amsterdam angereist sind und den fraglichen Nachmittag mit B. verbrachten haben wollen. Das Gericht schenkte diesen Männern allerdings keinen Glauben und verurteilte den bereits einschlägig Vorbestraften zu dreieinhalb Jahren Haft. B. hat Revision eingelegt – mit Erfolg. Jetzt muss der Betrüger acht Monate weniger absitzen. „Rip Dealer“ haben anscheinend clevere Anwälte.

Wir haben Ahmed Rashid im „Moulin Rouge“ zunächst um Bedenkzeit gebeten, sind schnell zurück nach Deutschland gefahren und haben unsere Rechercheunterlagen der Polizei zur Verfügung gestellt. Raschid gilt dort jetzt als „mutmaßlich Beschuldigter“. Wie der Mann genau heißt, konnten die Beamten bis heute nicht herausfinden. Immerhin hat er kurz nach unserem Besuch einer jungen Frau aus Süddeutschland mit dem Wechseltrick 5.000 Euro abgeknöpft. Auf unser Geld wartet der „Rip-Dealer“ immer noch. Dreimal hat er bereits angerufen.

*) Name von der Redaktion geändert

Die Zeit am 29.11.2007


 

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