Die Jagd auf das Ersparte
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Früher besaß Hans-Guido L. eine florierende Werbeagentur, heute steht der Manager vor den Trümmern seiner Existenz. Über eine halbe Million Mark hat er verloren, das Firmenkapital und die Rente sind dabei draufgegangen. Der ehemalige Agenturchef wurde das Opfer von Telefonverkäufern, die mit Kaffeekontrakten an der Warenterminbörse Superrenditen versprachen. Ins Visier der Finanzhaie geriet auch Gerd H.. Der junge Grafiker wurde durch zahllose Anrufe "weichgekocht" und zu einem riskanten Termingeschäft überredet. Seine Ersparnisse wurden allein durch die maßlosen Gebühren der Telefondrücker innerhalb weniger Wochen um die Hälfte reduziert. Mit nahezu wertlosen amerikanischen "Pfennigaktien" verlor Walter P. seine gesamte Erbschaft - einige hunderttausend Mark. Gegen die Brokerfirma ermitteln Kriminalpolizei und Staatsanwälte seit Jahren. Dutzende von Zivilgerichtsprozessen bestätigen die unseriösen Methoden der Firma. Doch das Unternehmen darf weiterhin ab kassieren.
Deutschland gilt als Paradies für Anlagebetrüger. Seien es hochriskante Termingeschäfte oder dubiose Finanztransaktionen - immer häufiger fallen Anleger auf fragwürdige Angebote am sogenannten grauen Kapitalmarkt herein. Der entstehende Vermögensschaden wird von Fachleuten auf einen zweistelligen Milliardenbetrag pro Jahr geschätzt. Häufig ist es zu spät, wenn der Betrug auffliegt, weil sich viele der Verantwortlichen bereits mit dem Geld auf Nimmerwiedersehen abgesetzt haben - zum Beispiel in die Karibik. Auch wenn Anlagebetrug in Deutschland zum Tagesgeschäft gehört, erstaunt man doch über die Fülle möglicher Betrügereien, die allein in den vergangenen Monaten bekannt geworden sind. So sitzt der Bürgermeister der Kleinstadt Neckarwestheim seit einigen Monaten in Untersuchungshaft, da 40 Millionen aus der Gemeindekasse abhanden gekommen sein sollen. In Deutschland wird aber nicht nur im großen Stil abgezockt, auch kleine Sparer werden zunehmend Opfer von Finanzhaien. So investierten über 100.000 Menschen ihr Geld in den "European Kings Club", der Anlegern eine Superrendite von 71 Prozent pro Jahr versprach. Der nach Erkenntnissen der Strafverfolgungsbehörden "größte Betrugsfall nach den Schneeballsystem" kam Ende 1994 ans Licht. Der Schaden wird auf über eine Milliarde Mark geschätzt. Der Film von Reinhold Rühl in der Reihe "Zündstoff" zeigt, wie auf dem grauen Kapitalmarkt abkassiert wird. Zu Wort kommen neben zahlreichen Opfern auch Aussteiger aus der Abzockerbranche. Ex-Telefonverkäufer plaudern über ihre Tricks, Wirtschaftsdetektive und Kripo-Beamte schildern die Methoden der Finanzhaie, denen der Autor als vermeintlicher Anleger getarnt nachspürte. |
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Sendung: | ZDF Zündstoff | Redaktion: | Walter Mischo |
Länge: | ca. 45 Minuten | Produktion: | Kathi Wosseng |
Kamera: | Reimund Berg u.a. | Erstsendung: | 05.07.1995 |
Schnitt: | Michaela Heinemann | Zuschauer: | 2,01 Millionen |
Buchbesprechung: "Achtung Finanzhaie!"
"Nepper klingeln heutzutage nicht mehr an der Haustür, sie senden Werbespots im Abendprogramm. Ihre Methoden sind so gerissen, daß ihnen längst nicht nur Unbedarfte, sondern gerade auch Akademiker und Manager auf den Leim gehen und sich etwa wertlose Aktien andrehen lassen. Der Fernsehjournalist Reinhold Rühl wollte genau wissen, wie es den Abzockern immer wieder gelingt, sich in das Vertrauen ihrer Opfer einzuschleichen. Seine Recherchen hat er in dem Buch "Achtung Finanzhaie" (Falken Verlag, 19,90 DM) zusammengefaßt, ein lebendiges Lehrbuch über die dunkelste Seite der Geldbranche. Hoffentlich gerät es nicht in falsche Hände"
Udo Perina in "Die Zeit" 41/1997