Wenn Teilnehmer von Preisausschreiben das Glück erzwingen wollen, kommen sie auf fantasievolle Ideen. Manchmal funktionieren sogar skurrile Tricks.
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Fortuna schickte ein Gummiboot: Sachsens Gewinnspielkönigin Stiller
Von Reinhold Rühl
Fortuna ist launisch. Deshalb versucht Eva-Maria Stiller der Glücksgöttin »etwas auf die Sprünge zu helfen«. Frühmorgens, wenn Tochter Nadja auf dem Weg zur Schule ist, packt die 47 Jahre alte Dame in der Dreiraumwohnung am Rande von Chemnitz ihre Utensilien auf den Arbeitstisch: bunte Sticker, Adressstempel, Malstifte, Briefwaage und natürlich die Zackenschere. Das Schneiderwerkzeug, mit dem sich Säume vor dem Ausfransen schützen lassen, ist ihre Wunderwaffe. Damit verziert sie die Ränder der Karten, die sie an die Veranstalter von Preisausschreiben verschickt. »Bei der Ziehung«, so glaubt die Hausfrau, »spürt die Glücksfee die Spitzen.«
921-mal hat das anscheinend funktioniert. Seit die gelernte Sekretärin nach der Wende ihren Job verloren hat, findet sie fast jede Woche im Briefkasten eine Gewinnmitteilung. »Herzlichen Glückwunsch«, schreibt ihr gerade wieder eine Kosmetikfirma, »Sie haben ein fünfteiliges Olivenöl-Pflegeset gewonnen«.
Über solche Gimmicks freut sich Sachsens Gewinnspielkönigin nur noch verhalten, hat sie doch fast alles bekommen, von dem die Gewinnspielfans träumen: sechs Fahrräder, fünf Fernsehgeräte, einen Strandkorb, zahlreiche Einkaufsgutscheine, Reisen nach Rom, Paris und Istanbul. Ihr bisher größter Coup: ein roter Opel Corsa, den sie von Edeka ergattert hat. Eva-Maria Stiller führt akribisch Buch über ihre Gewinne – schließlich war sie früher Chefsekretärin des Vorsitzenden der Bezirksrevisionskommission. Auf genau 87411 Euro summieren sich die Sachpreise. Trostpreise unter zehn Euro ignoriert sie in ihrer Gewinnkladde.
Manche Spieler umhäkeln ihre Einsendungen sogar mit Garn
Eva-Maria Stiller muss sich ihr Glück hart erarbeiten. Besonders am Ende des Monats, »wenn 80 Prozent der Gewinnspiele zu Ende gehen«, sitzt sie oft bis in die frühen Morgenstunden an ihrem Schreibtisch, stempelt und beschreibt die Teilnahmekarten. Ihr Hobby artet dann »richtig in Stress aus«, stöhnt die zweifache Mutter. Und teuer ist es außerdem: 500 bis 1000 Einsendungen bringt sie jeden Monat zum Briefkasten, manche portosparend in Sammelumschlägen. Glücklicherweise ist es von Chemnitz nicht weit bis nach Tschechien. Deshalb fahren die Stillers einmal im Monat mit einer großen Tüte über die Grenze, stopfen bündelweise Karten in die Briefkästen von Chomutov. Die Tschechische Post befördert Karten für knapp die Hälfte des deutschen Portos.
Im Juli lockte auch die Deutsche Post Gewinnspielfans mit einem Sonderangebot. Denn der gelbe Riese – aufgeschreckt durch das im nächsten Jahr auslaufende Briefmonopol – suchte die »Postboten des Jahres«. Wer seine Stimme bei dieser millionenschweren Image-Kampagne abgab, konnte einen von 50 postgelben Smarts gewinnen. Außerdem 100 hochwertige Fahrräder, 200 Navigationsgeräte und 1000 Umhängetaschen im Post-Design. Der Clou: Auf den Einsendekarten steht »Bitte freimachen, falls Marke zur Hand«.
Das sorgte für Wirbel unter Hobby-Zockern, denn die Post verdient nicht schlecht an Kunden wie Eva-Maria Stiller. Natürlich haben sich die meisten der Teilnehmer die 45 Cent Marke gespart und die Originalkarten unfrankiert zurückgeschickt. Nicht jedoch Sachsens Gewinnspielkönigin. Vier gelbe Karten im Format A4 hat sie liebevoll gebastelt, für jedes Familienmitglied eine, und die sogar mit dem notwendigen Porto von 1,45 Euro frankiert. Die Schmuckstücke sollen schließlich »bei der Ziehung auffallen". (...)
Die Zeit am 27.12.2007 (Auszug)
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